Historie | NSV – Nürnberger Spielkarten Verlag (2024)

Handgemalte indische Spielkarten

Während jedoch indische und europäische Karten manche Gemeinsamkeiten haben, sehen die früher nachweisbaren chinesischen Karten nicht nur im Format sondern auch in der Ikonographie völlig anders aus. Die Blicke der Forscher richten sich deswegen auf jene Landstriche, durch die die alten Verbindungswege zwischen China und Indien einerseits, China, Indien und Europa andererseits gingen. Ein solcher Landstrich ist Persien (heute Iran).

Der bereits verstorbene Erforscher der indischen Spielkarten, Rudolf von Leyden (Berlin), konnte persische Lackmalereien aus der Zeit um 1530 als Spielkarten identifizieren. Der enge ikonographische Zusammenhang der persischen Bilder, die dem Sultan Muhammad, einem berühmten Maler am Hofe des Shah, zugeschrieben werden, mit indischen Spielkarten ist unübersehbar. Damit haben wir einen Beweis, dass in Persien zu Beginn des 16. Jahrhunderts das Kartenspiel etwas Selbstverständliches war. Während die persischen Karten mit verschiedenen Argumenten relativ eindeutig datiert werden können, ist dies für ein weiteres berühmtes Spiel nicht möglich: Karten aus dem mameluckischen Ägypten, die heute in Istanbul (Topkapi Serail Museum) aufbewahrt werden. Möglicherweise sind diese Karten älter als die erste Erwähnung der Spielkarten in Europa. Wäre dies so, dann hätten wir eine gute Beweiskette dafür, dass die Spielkarten keine europäische Erfindung sind, dass sie vielmehr aus dem Orient – vielleicht sogar aus China – stammen. Die Wahrscheinlichkeit ist auf jeden Fall größer, als man noch vor einigen Jahren annehmen konnte.

In den Jahren nach 1378 verbreiten sich die Karten in Windeseile. Mit den Kaufleuten wandern sie auf den großen Handelsstraßen von Italien nach Nordwest- und Osteuropa. Da eine dieser Handelsstraßen zu dieser Zeit schon über den Gotthard führte, nimmt die Schweiz und das Gebiet am Oberrhein auch in der Spielkartengeschichte eine besondere Rolle ein. Anfang des 15. Jahrhunderts sind die Karten auf dem gesamten europäischen Kontinent verbreitet. Die Stadtverwaltungen und der Klerus verbieten ein Spiel nach dem anderen.

Volksspielkarten, Landsknechtkarten, Wien 1572

Wie diese frühen Spielkarten ausgesehen haben, können wir nur erraten; denn war ein Spiel unbrauchbar geworden, warf man es weg, oder man verwendete die Kärtchen für andere Zwecke. Alte Karten sind deswegen nur zufällig erhalten. Besser als über das Aussehen der Volksspielkarten sind wir über jene Karten unterrichtet, die fürstliche Auftraggeber in Malerwerkstätten anfertigen ließen. Diese Spiele gehören zu den Inkunabeln der Miniaturmalerei des 15. Jahrhunderts. Das bekannte „Hofämterspiel“, das um 1450 entstand, ist das älteste, gedruckte und nachträglich kolorierte Kartenspiel, das bis heute erhalten geblieben ist. Den Karten des gehobenen Geschmacks folgen auch die Kupferstecher des gleichen Jahrhunderts. Die Vielfalt in den Motiven und der Reichtum in den Details kommt jedoch mit der Spielbarkeit – die wir heute gewohnt sind, mit sehr rationalistischen Kriterien zu beurteilen – in Konflikt.

Stuttgarter Karten um 1430, Oberrhein (sog. Hofjagdspiel)

Mit der Erfindung des Holzschnittes und einer leistungsfähigenPapierherstellungin Europa ab etwa 1400 beginnt auch die Blüte der Volkspielkarten. Spielkarten können nun sehr preiswert gefertigt und so in Massen unter das Volk gebraucht werden. Es entstehen die ersten Zentren der Kartenmacher (Spielkartenhersteller) in Nürnberg, Augsburg und Ulm. Erste Beweise für frühe Holzschnitt-Spielkarten stammen aber erst aus den 1440er Jahren. Die Produktion von Spielkarten ist wahrscheinlich sogar der Beginn der Entwicklung des Holzschnittes.

Holzschnitt-Spielkarten, Hans Schäufelein, Nürnberg um 1535

Seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts können wir uns genauer vorstellen, wie es um die Spielkarten bestellt war. Das reichere Material erlaubt vor allen Dingen, die Vielfalt von Produkt und Produktion zu rekonstruieren. Während wir über die Karten etwas mehr wissen, tappen wir bei der Geschichte der Spielregeln noch ganz im Dunkeln: wir können zwar aus den Namen von Spielen – vor allem für das frühe Karnöffelspiel – einiges erschließen, doch genauere Informationen über Kartenspielregeln liegen erst im 17. Jahrhundert vor. Zu dieser Zeit sind jedoch entscheidende Spielerfindungen – wie etwa das Trumpfen – schon lange gemacht.

Bei den frühen europäischen Kartenbildern stammen die Darstellungen aus dem höfischen Leben, von Soldaten und aus der Natur. Die Symbole auf der Vorderseite der Karte geben dem Spieler den Wert des einzelnen Blattes an. Waren die Symbole auf den Spielkarten einst noch Tiere, Blumen, Wappen und höfisches Interieur, so werden es schon im 16. Jahrhundert die noch heute gültigen Farbezeichen.

Italienisch- spanische, deutsche und französische Kartensymbole

Meist werden vier gleiche Reihen durch unterschiedliche Farbzeichen gekennzeichnet. Die Anzahl der Farbzeichen (und damit der gleichen Reihen) kann auch fünf, bei indischen Spielen sogar 8, 10, 12 oder 18 betragen. Die Farbzeichen werden nach den Ländern benannt, in denen sie am meisten verbreitet sind. Im Laufe der Zeit entstanden lokale Farbzeichensysteme in Europa: darunter das nach und nach an Dominanz gewinnende französische System mit Herz, Karo, Pik und Treff, das deutsche mit Herz, Blatt, Eicheln und Schellen und das spanisch/italienische mit Münzen, Stäben, Schwertern und Kelchen. So unterscheiden wir heute in der Hauptsache zwischen italienisch- spanischen, deutschen und französischen Farbzeichen. Eine überzeugende Deutung der Farbzeichen konnte bis heute nicht erbracht werden. Wahrscheinlich handelt es sich um Parteien in einem Kampfspiel.

Im deutschen Sprachgebiet werden die Farbzeichen Eichel, Blatt, Herz und Schelle verwendet. In einzelne Landschaften hat sich ein eigenes Kartenbild entwickelt: so z. B. in Franken (Ansbach), in Bayern, im Salzburger Land, in Sachsen oder in Preußen. Die sogenannten „Schnapskarten“ sind im heutigen Österreich verbreitet. Auch in Osteuropa, so in Polen und Russland, werden die deutschen Farben gespielt. – Dem König folgen Ober(mann) und Unter(mann), durch die Kleidung sind sie meist als Soldaten gekennzeichnet.

Altbayerische Spielkarten, Andreas Benedict Göbl, München um 1778

Ab dem 16. Jahrhundert wurden Kartenspiele in den Spielsalons gesellschaftlicher Kreise gepflegt. Fiskalisches Interesse gebar später die Spielkartensteuer. Reine Glücksspiele mit Spielkarten wurden schließlich staatlich verboten und nur noch unter staatlicher Aufsicht in Spielkasinos, wie etwa „Poker“ und „Black Jack“, zugelassen.

Von der extremen Ansicht abgesehen, alle Kartenspiele seien verwerflich weil sie den Menschen von wichtigeren Aufgaben ablenken, wurden die Kartenspiele über Jahrhunderte in zwei Kategorien eingeteilt: erlaubte, bei denen um gar keinen oder nur einen sehr geringen Einsatz gespielt wurde, und verwerfliche Hasardspiele, die wegen ihrer hohen Gewinn- oder Verlustspannen Mitspieler für ein ganzes Leben ruinieren konnten. Aufgrund der mit der Spielleidenschaft in Zusammenhang stehenden Tragödien ist es nicht verwunderlich, dass die Landesherren kontinuierlich versuchten, diesem ruinösen Tun mit Edikten und Verboten Einhalt zu gebieten.

In Deutschland wurde ab dem 1. Januar 1900 durch das Bürgerliche Gesetzbuch geregelt, dass eine Spielschuld nicht einklagbar ist (§ 762 BGB), es sei denn, eine staatliche Genehmigung liegt zugrunde. Spielschulden sind Ehrenschulden.

Nur in einigen Fällen kennt man heute noch die Spielregeln aus der Frühzeit, wie bei „Eins und hundert“, einem mit Trappolierkarten gespieltem Spiel, oder dem „Karnöffel“. Letzteres entstand im oberdeutschen Sprachgebiet während des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts und wurde durch Landsknechte sehr schnell in ganz Deutschland verbreitet. Der „Karnöffel“, der Trumpf-Unter(mann), ist hier die höchste Karte. Er sticht „Papst, Kaiser, König“ und „Ober(mann)“. Als letzte Nachfahren geben „Kaiserjass“ in der Innerschweiz und das „Knüffeln“ in Friesland noch im 20. Jahrhundert Zeugnis von diesem alten Kartenspiel.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde viel Whist (aus England), Piquet (aus Frankreich) und l`Hombre (aus Spanien) gespielt, aber auch tarockiert (mit Tarock-Karten, 54 oder 78 Blatt). Eine Besonderheit war das Tarock mit 36 Karten, das bevorzugt in Bayern gespielt wurde. Skat ist erst eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Wohl um 1810 wurde es erstmals in der Brommeschen Abendgesellschaft in Altenburg gespielt. Zu dieser Abendgesellschaft gehörte bekannte Leute des Altenburger Geisteslebens, wie der Kanzler Hans Carl Leopold von der Gabelentz, die Lexikonverleger Johann Friedrich Pierer und Friedrich August Brockhaus, der Ratskopist Carl Adam Neefe und der Advokat Friedrich Ferdinand Hempel. Skat entstand aus einer Mischung aus Schafkopf, Solo, Tarock und l´Hombre.

1715 wird in Leipzig ein Spiel erwähnt, das den Namen „Scharwenzeln“ trägt. Spielregelforscher gehen davon aus, das „Scharwenzeln“ an Hand der Spielanlage der frühe Vorfahre des Schafkopfspiels sein könnte. Der Begriff „Schafkopf“ wird um 1813 erstmals in einem Regelbuch erwähnt. Es handelt sich dabei aber noch nicht um den „Bayerischen Schafkopf“, wie er noch heute gespielt wird. Einer der bekanntesten Spielregelforscher John McLeod teilt den Schafkopf in 6 Untergruppen ein. So entstand um 1800 der „Deutsche Schafkopf“ fast gleichzeitig mit dem „Wendischen (Schlesischen) Schafkopf“. Ein Regelheft des 19. Jahrhunderts nennt als älteste Spielart des deutschen Schafkopfspiels „…die, unter vier Personen mit vier Wenzeln bei wechselndem Trumpf.“ Der „Deutsche Schafkopf“ kennt zunächst also keine Ober als ständige oder gar höchste Trümpfe. Der „Bayerische Schafkopf“ seinerseits scheint ein direkter Nachfahre des „Wendischen Schafkopf“, mit Anleihen beim „Bayerischen Haferltarock“ zu sein, denn in einem weiteren Regelbüchlein aus der Mitte des 19. Jahrhunderts heißt es: „Zumeist wird Wendischer Schafkopf … so gespielt, daß Schellen stets Trumpf ist; dazu kommen dann noch 8 Wenzel, die 4 Ober und die 4 Unter.“ Um 1810 war Schellen auch im bayerischen Kartenspiel ständiger Trumpf, nicht Herz. Das könnte heißen, dass um 1810 der „Wendische Schafkopf“, möglicherweise in einer eigenen Variante in Altbayern, schon fest installiert war. Nur: Es gibt keinen Nachweis dafür, dass um 1810 bereits der Schafkopf in altbayerischen Raum heimisch gewesen wäre. Im Gegenteil: In vielen Romanen und Erzählungen der bayerischen Literaten bis zur Wende zum 20. Jahrhunderts und darüber hinaus, wird zwar fleißig gekartelt, aber nicht Schafkopf, sondern „Tarock“ mit 36 Karten! Das Päckchen mit bayerischen Spielkarten enthält traditionsgemäß heute noch 36 Karten, einschließlich der vier Sechser, die zum Schafkopf und zum Watten nicht gebraucht werden. Bedauerlicherweise ist weder für den „Bayerischen Schafkopf“ noch für den „Haferltarock“, wie der „Bayerische Tarock“ auch genannt wird, die Entstehungsgeschichte bekannt. Wann, wie und warum Herz zur ständigen Trumpffarbe wurde, bleibt im Dunkeln. Als „Bayerisches Nationalspiel“, hat sich Schafkopf vermutlich erst nach dem Ersten Weltkrieg installiert. In der Folgezeit, mit großer Arbeitslosigkeit, wurde viel Karten gespielt, das belegen die Umsatzzahlen der Spielkartenfabriken in Bayern.

Der „Bayerische Schafkopf“ist eines der beliebtesten und verbreitetesten KartenspieleBayernsund angrenzender Regionen. Es gilt als Kulturgut und Teil deraltbayrischenund derfränkischenLebensart. Auf Grund dieser Beliebtheit wird es von einer Vielzahl an Spielern als „Nationalspiel“ betrachtet.

Literatur und Quellen:

  • Manfred Hausler: »Trommler und Pfeifer«, Volk-Verlag, 2010
  • Wolfgang Suma: »Fünfhundert Jahre Leipziger Spielkarten«, 1994
  • Radau, G. Matthes, »Deutsche Spielkarten 1650 – 1900«, Germanisches Nationalmuseum, 2001
  • Otto Reisig: »Deutsche Spielkarten«, Bibliographisches Institut Leipzig, 1935
  • Rudolf von Leyden: »Indische Spielkarten« Inventarkatalog, Deutsches Spielkarten-Museum, 1977
  • Julius Benndorf: »Die Spielkarte und ihre Beziehungen zu Altenburg«, Altenburger Hauskalender, 1927
  • Kurt Bachmann: »Die Spielkarte Ihre Geschichte in 15 Jahrhunderten«, 1931
  • Gerd Matthes: »Mit offenen Karten« 500 Jahre Altenburger Spielkarten, 2009
  • Gerd Matthes: »Skat- und Spielkartenstadt Altenburg«, 1993
  • Gerd Matthes: »Kleines Skatbuch«, Rhino-Verlag, 2017
  • Thüringisches Staatsarchiv Altenburg, Landesregierung, Nr. 8838
  • Thüringisches Staatsarchiv Altenburg, Landesregierung, Nr. 3345
  • Privatarchiv der Familie von der Gabelentz: »L’hombre-Buch, Gewinn- und Verlustrechnung«, 1798 – 1829
  • BubeDameKönig: »Das Blatt«, Heft 21, 2000, Heft 48, 2013
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